Von Frauke Schlüter-Hürdler | 21.04.2024, 13:52 Uhr
Forstarbeiter in Ahrensburg nutzen jetzt ein Pferd für den Transport von Baumstämmen – und zwar nicht aus nostalgischen Gründen: Arne Brahmstädt ist Pferderücker und erklärt, warum die Nutzung eines Pferdes auch in der modernen Forstwirtschaft eine Daseinsberechtigung hat, warum das nachhaltig ist und wie dadurch der Waldboden geschont wird.
Hellbraunes Fell, sechs Jahre alt und 1000 Kilogramm schwer – das ist Rückepferd „Even“. Der Bretone – eine französische Kaltblutrasse – lässt sich nicht aus der Ruhe bringen, wenn er gemeinsam mit Pferderücker Arne Brahmstädt bei der Holzernte imAhrensburger Forst hilft. Und das ist schwere Arbeit. „Even kann ungefähr sein Gewicht ziehen“, sagt der erfahrene Pferdehalter, während er das Spezial-Geschirr, ein sogenanntes Kummetgeschirr, bei Even anlegt.
Lesen Sie auch
„Das ist schon etwas Besonderes, ich habe es aus Amerika von den Amish-People, die ja noch heute keine Maschinen in der Landwirtschaft benutzen“, erinnert er sich. Eine Rarität mit extra weitem Halsausschnitt, damit sich das Pferd wohlfühlt und sich freier bewegen kann. Am Geschirr befestigt er die selbst konstruierte Rücke-Vorrichtung, in der bis zu zwei Baumstämme eingeklemmt werden, um anschließend von Even gezogen zu werden. Dann kann es losgehen.
Ein Herz und eine Seele: Pferderücker Arne Brahmstädt mit Rückepferd Even. Foto: Frauke Schlüter-Hürdler
„Vom Pferderücken kann man nicht leben, aber die Aufträge finanzieren zumindest mein Hobby ein wenig“, erklärt der 65-Jährige, der erst seit kurzem in Rente ist. In seiner Jugend fuhr er Motorradrennen, arbeitet als Feinmechaniker und beschäftigt sich seit 25 Jahren mit Pferderücken. Zu Hause hält er gemeinsam mit seiner Frau fünf weitere Bretonen. Aber keines sei so brauchbar für die Arbeit im Wald wie Even.
Lesen Sie auch
Waldarbeit ist Attraktion für Spaziergänger
Gelehrig und ruhig müssten die Rückepferde sein – genauso wie Even, der die Befehle brav befolgt: „Hü“, „rechts“, „links“, „brr“ und ab und zu ein Zungenschnalzen, sowie ein Lob für die gute Arbeit natürlich. „Er ist nicht aus der Ruhe zu bringen“, sagt er. Begleithund Nelson schaut ihm bei der Arbeit zu, einige Spaziergänger und Jogger halten an, freuen sich über das seltene Schauspiel und kommen mit Brahmstädt ins Gespräch. „Dann bleibt auch Even stehen und weiß, dass es eine kleine Pause gibt“, schmunzelt er. Das sehe ja beinahe aus wie in alten Zeiten, freut sich eine Zuschauerin.
„Das Rücken macht Even wirklich gut, obwohl er erst zum ersten Mal im Einsatz ist“, sagt Brahmstädt und streichelt dem Kaltblut liebevoll über den Kopf. Pausen seien schon nötig, weil sich das Pferd nicht sehr lange konzentrieren könne. Doch drei Stunden könne er schon durcharbeiten, um dann nach einer langen Mittagspause für weitere zwei Stunden zu rücken. So heißt im Fachjargon das Ziehen von gefällten Stämmenin den unwegsamen Wäldern bis hin zum befahrbaren Weg, wo sie auf „Holzpoldern“ gestapelt, um anschließend abtransportiert zu werden.
100 Festmeter Holz liegen im Forst Hagen und werden mit dem Rückepferd auf „Holzpolder“ gestapelt, die später abtransportiert werden. Foto: Frauke Schlüter-Hürdler
In einer Woche möchte Brahmstädt mit dem Rücken fertig sein. Er rechnet mit 100 Festmetern Holz insgesamt. Für Even, aber auch für Arne Brahmstädt, bedeutet das schwere, körperliche Arbeit. „Aber das macht mir große Freude und hält fit“, meint er mit einem Augenzwinkern.
Arbeit mit Pferd soll Boden und Pflanzen schonen
Die Stadt Ahrensburg erteilte ihm den Auftrag. „Das mache ich hier zum ersten Mal. Leider hat sich der Termin ein wenig verzögert, sodass schon Kammmolche und Frösche unterwegs sind“, erklärt er. Das solle eigentlich aus Naturschutzgründen nicht sein, denn das Holzrücken solle ja den Wald schonen. Ahrensburg setze nach jahrelangem Gebrauch schwerer Forstmaschinen bei der Holzernte erstmals auf nachhaltige Forstwirtschaft, um den Boden und die Pflanzen zu schonen.
Mehr Informationen:
Schon vor Jahrhunderten kamen Pferde in der Forstwirtschaft zum Einsatz, um Baumstämme zu ziehen und die Arbeit zu erleichtern. Ab dem 20. Jahrhundert verdrängten Forstmaschinen die Nutztiere. Doch die vermeintlich effizienten Forstmaschinen haben einen entscheidenden Nachteil: Sie sind oft derart schwer, dass sie den Waldboden verdichten und nachhaltig beschädigen. Regenwasser kann schwerer versickern und in dem harten Boden wachsen für viele Jahre keine Pflanzen mehr. Der Wald braucht dadurch wesentlich länger, um sich von den Eingriffen zu erholen. Laut der Interessengemeinschaft Zugpferde e.V. minimiert der Einsatz von Rückepferden die Belastung des Bodens und des verbleibenden Bestandes.
„Man möchte hiermit auch testen, ob das Pferderücken langfristig praktikabel ist“, erläutert er. Er ist einer der wenigen Pferderücker in der Region. Leider gebe es davon viel zu wenige, bedauert er. Er möchte mit niemandem tauschen:Was gebe es Schöneres, als einen Tag mit Even und Nelson in der Natur verbringen zu dürfen?
Aktuelle Nachrichten zur Klima-Krise
Kommentarbereich laden
An dieser Stelle finden Sie den Kommentarbereich eines externen Anbieters.
Kommentarbereich laden
Mit Aktivierung der Checkbox erklären Sie sich damit einverstanden, dass Inhalte eines externen Anbieters geladen werden. Dabei können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Weitere Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen